Epoche Nationalsozialismus

1933–1945

Die ehemaligen mecklenburgischen Haftanstalten Dreibergen-Bützow und die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück sind wichtige Orte der Forschung und des Gedenkens, was schwule beziehungs weise lesbische Opfer des Nationalsozialismus betrifft.

Zwischen 1933 und 1945 waren in den zentralen mecklenburgischen Haftanstalten Dreibergen-Bützow über dreihundert Männer wegen homosexuellen Verhaltens eingesperrt; das sind mindestens 2,8 Prozent aller in diesem Zeitraum in Mecklenburg Inhaftierten. Für das ehemalige Frauenkonzentrationslager Ravensbrück bemühen sich seit Jahrzehnten politische Initiativen darum, die lesbische Verfolgungsgeschichte zu rekapitulieren und dem Gedenken lesbischer Frauen sichtbar Raum zu geben.

Das Frauenkonzentrationslager im preußischen Dorf Ravensbrück lag wenige Kilometer vor der Grenze zu Mecklenburg; seine größten Außenlager wurden ab 1942 in Mecklenburg und in Vorpommern aufgebaut.

In Stralsund und Schwerin finden Sammelprozesse gegen schwul oder bisexuell lebende Männer statt. Die 1936 beziehungsweise 1939 Verurteilten müssen teils mehrjährige Haftstrafen verbüßen, manche von ihnen werden später in Konzentrationslager überführt. Generell sehen sich seit der national sozialistischen Machtübernahme Personen, die der nationalsozialistischen Bevölkerungs- und Geschlechterideologie und -politik im Wege stehen, zunehmender Gewalt und Verfolgung ausgesetzt. Dies betrifft neben Lesben und Schwulen auch Sexarbeiter*innen und höchstwahrscheinlich Trans und Inter.

Der Verfolgungsdruck auf schwule Männer wird massiv erhöht. 1935 wird der Strafrechtsparagraf 175 verschärft: Ab jetzt gilt jeglicher sexuelle Kontakt zwischen Männern als strafwürdig, ein Kuss, ein Blick können genügen. Etwa 50 000 homo sexuelle Männer werden im Nationalsozialismus von sogenannten ordentlichen Gerichten zu Gefängnis oder Zuchthaus verurteilt; dazu kommen Urteile von Kriegs- und Sondergerichten. Auch trans Menschen sind unter den Verurteilten. Diejenigen, die die Haft überleben und entlassen werden, haben mit den körperlichen, psychischen, sozialen und ökonomischen Folgen zu kämpfen. 5 000 bis 15 000 Männer werden Schätzungen zufolge aufgrund ihrer Homosexualität in ein Konzentrationslager interniert, gekennzeichnet mit einem rosa Winkel.

Die Internierung zielt ab auf gewaltsame ‚Umerziehung‘ und auf Vernichtung, mehrere Tausend schwule Männer kommen ums Leben.

Die Ausweitung des Strafrechtsparagrafen 175 auf Lesben wird immer wieder diskutiert. Weibliche Homosexualität gilt jedoch als sozial ungefährlicher und als weniger bedeutsam für die nationalsozialistische Bevölkerungspolitik. Die Kontrolle und Unterordnung von Frauen in Politik, Ökonomie, Familie und im öffentlichen Raum machen eine strafrechtliche Regulierung offenbar überflüssig. Zudem haben Frauen kaum einflussreiche Positionen inne, eine eigenständige Sexualität wird ihnen ohnehin nicht zugesprochen. Auch Lesben sind jedoch von nationalsozialistischer Gewalt, Repression und Verfolgung betroffen. Bei Denunziationen durch Nachbar*innen, bei Razzien, in Anklageschriften oder bei der Internierung spielen Lesbischsein und lesbische Beziehungen durchaus eine Rolle, mittelbar oder unmittelbar. So werden die 1944 verurteilten Frauen E. R. und A. S. zwar für das Hauptdelikt Diebstahl in die Haftanstalt Dreibergen-Bützow eingewiesen; in der Urteilsbegründung wird aber auch angeführt, dass beide einen „lesbischen Umgang“ pflegten.

Die Berliner Straßenbahnschaffnerin Elli Smula wird 1940 als lesbisch denunziert und in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück interniert; der Haftgrund lautet „politisch“, in der Zugangsliste findet sich ergänzend der Vermerk „lesbisch“.

Die Frage, wie und in welchem Maße Lesben als Lesben von nationalsozialistischer Verfolgung betroffen waren, ist vielschichtig, die Quellenlage schwierig und der Forschungsstand bislang dürftig.

Als Überlebensstrategie und Schutz ziehen sich viele Lesben, Schwule und Trans ins Private zurück, verheimlichen ihre sexuelle Identität, schließen strategische oder Scheinehen. Einige Treffpunkte werden ‚gerettet‘, etwa indem sie als Sportklub getarnt werden. Gegen ihre Verurteilung gehen manche mit großem Mut und Durchhaltevermögen vor.

So schreibt der mecklenburgische Landwirt R. B. zwischen 1936 und 1938 mehrere Eingaben und mobilisiert Fürsprecher_innen, um eine verordnete Zwangssterilisierung zu verhindern, jedoch erfolglos.

Figuren der Epoche

Der Landwirt – R.B.

Die Arbeiterin – E.R.

Die Schauspielerin – Marianne Hoppe

Die Arbeiterin – Elli Smula

Geldsammlung – G.R.

Großverfahren ­gegen schwule Männer in Schwerin und Stralsund

Der Entzug von Doktor­titeln an den Universitäten Greifswald und ­Rostock