Das homosexuelle Engagement zu Zeiten der DDR und der bunte Strauß an Neugründungen von Vereinen und Gruppen zu Beginn der 1990er Jahre schufen in Mecklenburg-Vorpommern eine Infrastruktur für Lesben, Schwule und Bisexuelle. Seitdem sind weitere Initiativen dazugekommen, auch von und für trans Menschen.
Die Finanzierung der Vereine sieht alles andere als rosig aus, und nach wie vor herrscht ein Mangel an Beratungsangeboten. Im Kreis Ludwigslust-Parchim suchen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans und Inter (LSBTI) vergeblich nach Unterstützung. Generell ist insbesondere das Angebot für Inter, für trans und für mehrfachdiskriminierte Personen – etwa für geflüchtete Lesben, trans Muslime oder körperlich beeinträchtigte Schwule – unzureichend.
Rechtliches
Der unermüdliche Einsatz von Initiativen und Einzelpersonen trägt durchaus Früchte: Streichung des Paragrafen 175 im Jahr 1994; Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) 2006; das Gesetz zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft 2001, 2017 schließlich die Ehe für alle. Zu erwarten sind Änderungen beim Transsexuellengesetz und beim Personenstand, die die Selbstbestimmung von Trans und Inter erheblich verbessern könnten. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 2017 fordert einen dritten Personenstand wie ‚inter‘ oder ‚divers‘ – neben ‚männlich‘ und ‚weiblich‘ – ein.
In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hat sich also einiges getan, die kommenden Monate versprechen weitere Verbesserungen. Noch sind insbesondere Trans und Inter jedoch mit rechtlichen Normen konfrontiert, die ihr Recht auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit massiv einschränken: Entwürdigende Begutachtungen durch Ärzt*innen gehören ebenso dazu wie geschlechtszuweisende Operationen an Säuglingen und Kleinkindern.
Was die Diskriminierung von LSBTI betrifft, bestehen bis heute erhebliche Schutzlücken: Dem AGG zum Trotz gehört Diskriminierung für viele zum Alltag. Ungleichheit besteht auch bei der Familiengründung: Während in heterosexuellen Ehen der Ehemann automatisch als Vater gilt, müssen lesbische Ehepartnerinnen einen Adoptionsprozess durchlaufen.
Lebensalltag
Die Erfahrungen, die Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans und Inter im Nordosten Deutschlands machen, sind sehr divers. Näheres können wir studienbasiert zur Situation von Lesben, Schwulen und Trans(LST) berichten.
Einerseits erleben LST engagierte Unterstützung und Solidarität, andererseits werden sie mit Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt konfrontiert. Heterosexuelle und zweigeschlechtliche Normen prägen das Denken der Mehrheit; sie werden – so formuliert es eine lesbische Jugendliche aus einem Dorf in Mecklenburg- Vorpommern – „eingeimpft“.
In der Folge ist der Weg zur selbstbestimmten geschlechtlichen oder sexuellen Identität für die meisten lesbischen, schwulen und trans Jugendlichen auch heute noch ein steiniger.
Zur Realität Mecklenburg-Vorpommerns zählen auch lesben-, schwulen- und transfeindliche Gewalt gegen Personen sowie Übergriffe auf LST- Projekte und Wohnungen. Das Leben von LST ist folglich auch von der Angst vor Neonazis und einem erstarkenden Rechtspopulismus geprägt; besonders gefährdet sind Geflüchtete und People of Color.
Viele Lesben, Schwule und Trans erwägen die Verlagerung ihres Lebensmittelpunktes in andere Regionen und in Großstädte, in denen sie mehr Akzeptanz erwarten. Im Bundesland selbst ist die vorhandene Infrastruktur – Unterstützungsangebote, Gruppen und Veranstaltungen – für LST von großer Bedeutung, ebenso das Internet.
Landespolitik
Zukünftig könnte der symbolträchtige Landesaktionsplan für die Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in Mecklenburg-Vorpommern Wirkung entfalten. Koordiniert vom LSVD-Landesverband Gaymeinsam e. V. und dem Sozialministerium, wurde er 2015 verabschiedet. Verschiedene Maßnahmen sollen die Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Trans und Inter ab- und Akzeptanz aufbauen. Die Umsetzung geht bislang allerdings schleppend voran (Stand: Februar 2018).
Neben Vielfalt fördernden Initiativen prägen auch gegenläufige Tendenzen das Geschehen. So ordnete der Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns (CDU) 2014 an, das bis dahin übliche Hissen der Regenbogenflagge an Rathäusern und anderen öffentlichen Gebäuden des Landes zu verbieten. Jedoch – nicht alle hielten sich daran: Schwerins Oberbürgermeisterin (Die Linke) sorgte dafür, dass die Regenbogenfahne auch in diesem Jahr wieder vor dem Rathaus flatterte.
Figuren der Epoche
Das erste Lesbenfrühlingstreffen (LFT) in Ostdeutschland
Homophobie, nein danke! – Eine Rostocker CSD-Kampagne
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Queere Vereine und Initiativen in Mecklenburg-Vorpommern
Der Rostocker CSD ohne Drag, Trans* und Queerness?
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