Homosexuelle bei Militär, Polizei und Staatssicherheit

1980er Jahre

Beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) verhindern homofeindliche Kader­richtlinien und ebensolche Einstellungs- und Entlassungspraktiken eine haupt­amtliche Mitarbeit Homosexueller. Zugleich werden Homosexuelle als ‚­Inoffizielle Mitarbeiter‘ (IM) rekrutiert – auch, um lesbische und schwule Selbstorganisie­rungen zu beobachten, zu beeinflussen oder zu verhindern. Da das Öffentlich­machen ihrer Sexualität als Druckmittel verwendet werden kann, zählen Lesben und Schwule zu jenen Personengruppen, die nötigenfalls qua Erpressung zur Kooperation gezwungen werden.

Für die Region des heutigen Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern ist aktenkundig, dass im Laufe der 1980er Jahre drei Männer ihre Anstellung im MfS in Rostock verlieren, nachdem sie als schwul geoutet wurden. Die „homosexu­elle Veranlagung“, so heißt es in einem Schreiben aus dem Jahr 1989, habe die Entlassung eines hauptamtlichen Mitarbeiters „unumgänglich“ gemacht. Nach dessen lautstarkem Protest wird seine Wohnung verwanzt; fortan ist er selbst Ziel staatlicher Überwachung. Die beiden anderen Männer werden nach ihrer Suspendierung als ‚­Inoffizielle Mitarbeiter‘ (IM) geworben, einer davon wird über die homosexuelle Szene in Rostock, in Berlin und im Süden der DDR berichten.
Auch zwei Männer, die bei der Freien Deutschen Jugend beschäftigt waren, verlieren ihre Anstellung – schwulenfeindliche Vorstellungen verbieten ihnen die Arbeit mit Jugendlichen – und werden als IM geworben.
In mindestens einem Arbeitskreis Homosexualität platziert das MfS ‚Inoffi­zielle Mitarbeiter‘ (IM) – und zwar in der Leitung des Arbeitskreises. Die IM be­richten ausführlich über die Treffen und über die politische Haltung der anderen Leitungsmitglieder. Ziel ist es, die Bildung von Gruppen, deren Einfluss und ins­ besondere die überregionale Vernetzung zu begrenzen. Denn: Solche Selbst­organisationen gelten dem DDR-Staat als ‚verdächtig‘, als staatsgefährdend.
Unerforscht ist bislang, ob auch in der Öffentlichkeit stehende Einzelper­sonen bisweilen aufgrund ihrer Homosexualität ins Visier der Staatssicherheit rücken und beobachtet werden.
Für den Wehrdienst und die Karriere bei der Nationalen Volksarmee (NVA) existieren spezielle Regularien zum Umgang mit Homosexuellen. Während homosexuelle Bewerber grundsätzlich abgelehnt werden, können jene, die der NVA bereits angehören, ihren Dienst oder ihre Tätigkeit fortsetzen – sofern „keine Komplikationen eintreten“. Aus der Deutschen Volkspolizei (DVP) sind Fälle überliefert, in denen schwule Männer nach einem Outing die Beendigung ihres Dienstverhältnisses fürchteten.