14.02.1621 – 31.07.1638
Als ein „Wunder ihrer Zeit“ gilt die 1621 geborene Lyrikerin Sibylla Schwarz (auch Sibylle Schwartz) aus Greifswald.
Die Tochter des damaligen Greifswalder Bürgermeisters Christian Schwarz erhält früh eine umfangreiche Bildung. Mit zehn Jahren verfasst Sibylla ihre ersten Gedichte. Sie schreibt über Liebe und Tod, den Glauben, das Landleben, die Stände und die Dichtung selbst. Bedeutsam sind vor allem ihre Liebessonette, der humorvolle Ton und die offenen und vielschichtigen Andeutungen zu Geschlechterrollen.
Viele Gedichte richten sich an eine weibliche Geliebte. Das lyrische Ich bleibt dabei unbestimmt. Dass aber eine Frau auf diese Weise zu einer Frau spricht, ist den Leser_innen zu Zeiten des Dreißigjährigen Krieges neu. In der Lyrikgeschichte werden diese Unbestimmtheit und die lesbische Deutbarkeit ignoriert: Stets wird unterstellt, Schwarz wende sich aus einer männlichen Perspektive an eine Geliebte. Die Lyrik von Sibylla Schwarz lässt sich im Sinne der heterosexuellen Norm lesen, gleichermaßen erlaubt sie eine lesbische Lesart.
Das ist aber noch nicht alles. Mit dem Langgedicht Ein Gesang wieder den Neidt verfasst Schwarz im 17. Jahrhundert kompromisslos feministische Lyrik: Ihr Protestgesang wendet sich gegen die männlich herablassende Haltung gegenüber dichtenden Frauen.
Sibylla Schwarz verstirbt früh – sie wird gerade einmal siebzehn Jahre alt. Von der Lyrikgeschichte im 18. Jahrhundert vernachlässigt und im 19. vergessen, erfährt das Werk der Dichterin erst in den letzten Jahrzehnten eine angemessene Wertschätzung. Vielleicht wird Sibylla Schwarz anlässlich des bevorstehenden Geburtstages im Jahr 2021 auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.