Die Arbeiterin E.R.

1923–2007

E. R. wird 1923 geboren. Bis 1937 besucht sie die Volksschule, danach wird sie zu einem ‚Landjahr‘ verpflichtet. Anschließend beginnt sie in einer Fabrik zu arbei­ten. Mit siebzehn wird sie in eine nationalsozialistische Erziehungsanstalt ein­gesperrt; zwei Jahre wird sie in verschiedenen nationalsozialistischen ‚Versor­gungsheimen‘ verbringen, zuletzt in einer Anstalt in Farmsen, die als eine der schlimmsten gilt. Nach ihrer Entlassung arbeitet sie zunächst beim Hamburger Studentenwerk, später als Schaffnerin in Breslau (Wrocław) bei ihrem Vater. Im Januar 1944, in Hamburg, heiratet sie R. R.
Bereits wenige Monate zuvor lernt E. R. in der Hamburger Kneipe Querdiele, die als lesbischer Treffpunkt bekannt ist, A. S. kennen. Die beiden Frauen ver­bringen den Abend in einer Wohnung, in der A. S. als Haushälterin arbeitet. Spä­ter werden die beiden des Diebstahls beschuldigt werden. Die Anklageschrift des Amtsgerichts Hamburg dreht sich allerdings maßgeblich um die lesbische Beziehung der Frauen.

Beide werden verurteilt und in die mecklenburgischen Haftanstalten Dreibergen-Bützow eingesperrt. Gegen E. R. wird ein Entmündi­gungsverfahren eingeleitet, ihr wird „Unzurechnungsfähigkeit“ zugeschrieben.
E. R. geht gegen die Entmündigung vor, jedoch ohne Erfolg. Auch im Straf­vollzug in Bützow setzt sie sich immer wieder zur Wehr und wird mit Repressi­onsmaßnahmen konfrontiert.
Mit dem Vormarsch der Roten Armee im April 1945 kommt E. R. aus Bützow frei. Jedoch: Wie bei vielen anderen Entmündigungen durch die Nationalsozia­listInnen bleibt auch ihre zunächst gültig; erst im Jahr 1964 wird sie aufgehoben. Über das weitere Leben von E. R. ist nichts bekannt. Sie stirbt im Jahr 2007 in Schleswig-Holstein.